Brainstorm gegen braun

von Rocco Burggraf

Es ist verdächtig still um mich geworden. Kein Schwein ruft mich an und so. Da hab ich mir überlegt, dass ich vielleicht auch mal ein Zeichen setzen müsste. Gegen Rechts. Klare Kante. Gesicht zeigen. Gegen Hass. Und Hetze natürlich. Ich hab also gegoogelt, was man so machen könnte. Vieles war ja schon da.

Mein normales Morgenritual, also das Aufstehen (gegen Rechts), das Zähneputzen (gegen Rechts) und das Kaffeetrinken (gegen Rechts) wäre – richtig ins Bild gesetzt – prinzipiell schon ganz gut geeignet. Aber damit lockste ja keinen mehr hinter der Wärmepumpe vor. Mit „Stricken und Vulventöpfern gegen Rechts“ isses ähnlich. Da fehlen mir auch die Vorkenntnisse. „Ficken gegen Rechts“ ginge natürlich. So als Reel. Würde auch Spaß machen. Aber da muss ich erst fragen. Und wenn dann ein „Nein heißt Nein!“ kommt, sehe ich ganz schön alt aus. Außerdem zeigt ein Blick in die Annalen, dass ja schon seit Jahren bundesweit “gegen Rechts” gevögelt wird, dass die Wachtel kreischt.

Abgegraste Genusssparte

Onanieren gegen Rechts“ wäre ersatzweise denkbar. Gab’s aber auch schon unzählige Male. Einfach abends einen „Primitivo gegen Rechts“ trinken wäre jetzt noch ne Möglichkeit gewesen. Aber da – hab ich gesehen – gibt’s ja das „Weinfest gegen Rechts“. Am Millerntor. Dort gibt’s „Weine mit Haltung.“ Beeindruckend. Der unerschrockene 29-jährige Musiker Olaf und der noch unerschrockenere 31-jährige Layouter Kai wiederum haben da noch einen draufgesetzt und gemerkt, dass solche bierernsten Aktionen nicht sonderlich weiterhelfen. Sie haben gleich das Projekt „Saufen gegen Rechts“ ins Leben gerufen. Eine „Schnapsidee“ sei das aber nicht. Kurzum – die Genusssparte ist unter den Kämpfenden schon ziemlich abgegrast, finde ich.

Es ist ein bisschen zum Verzweifeln. „Gegen Rechts“ wurde schon geangelt, Frisbee gespielt, gekocht, Eis gegessen. In Lichtenberg und Köpenick war das. Der Hildebrand-Horst vom Landes-Pétanque-Verband Berlin hat ein „Boule-Treffen gegen Rechts“ ausgerufen. Wolfgang Thierse von der Arbeiterpartei SPD hat als Schirmherr eines „Golfturniers gegen Rechts“ auch für ordentlich Aufsehen gesorgt. Sehr gelungene Sache. Vermutlich hatte Verdi die Spieler vorher irgendwie vom Fließband losgeeist. Toll auch die Tierschützer von Peta: Die deckten grassierenden rechten Rassismus im deutschen Vereinswesen auf. Beim Rassekaninchenzüchter e.V. war das. Überhaupt sind nun schon unheimlich viele Rechte enttarnt. Prepper, Polizisten, Prinzen. Fällt also als Betätigungsfeld auch flach.

Auf alles vorbereitet

Geil war natürlich auch das mit dem kategorischen Imperativ. „Pinkeln gegen das Patriarchat!“. Aber ob ich ohne Mumu in Berlin ins Missoir darf, war mir jetzt nicht so klar. Und wie hätte ich dort auffallen sollen? Titten wären vielleicht noch ne Variante. Also Nackischbilder. Der Fotograf Olli Waldhauer war aber natürlich schneller. Schon 2017 hat er seinen kunstvollen Schweinkram unter dem Hashtag “#Nippelstatthetze” politisch korrekt unters Volk gemischt.

Mehr was Kreatives? Das Kultusministerium zeichnete vor geraumer Zeit eine neunte Klasse aus, die monatelang “Briefmarken gegen rechts” und dann noch einen dazu passenden Poststempel entworfen hatte. Im Netz finden sich engagierte „Hundemenschen gegen Rechts“, die „etwas gegen den schleichenden Präfaschismus“ tun wollen. Fast dreihundert “Hebammen gegen Rechts” haben sich zu einem Netzwerk zusammengefunden. Eine sehr wichtige Initiative, wie man unschwer feststellen wird. „Wehret den Anfängen!“ heißt es ja. Und: „Der Schoß ist fruchtbar noch!“ Man kann also davon ausgehen, dass sächsische Säuglinge grundsätzlich auf der Intensivstation betreut werden, bis sie aus dem Gröbsten raus sind. Deutschland ist zweifellos auf alles vorbereitet.

Kleine Pimmel als Bedrohung

Wir sind zwar nicht kriegstüchtig nach außen, dafür aber nach innen. Es wimmelt nur so vor unerschrockenen Zivilcouragisten. Der Bundesinnungsverband des Gebäudereiniger-Handwerks und das Fachmagazin “Rationell reinigen“ zum Beispiel haben eine “Initiative gegen Rechts und Fremdenfeindlichkeit” aufgelegt. “Angekommen. Angenommen” – lautet das Motto. Damit kann man gleich zwei Fliegen mit einem Wischmob schlagen und seine Mindestlöhne zur Willkommenskultur erklären. Selbst ein Schachblogger hatte sich exponiert, als er kürzlich in seiner Eigenschaft als Vorausdenker einen unmittelbar bevorstehenden Umsturz durch Rechte entdeckte und dazu einen flammenden Beitrag ins Netz gestellt hat. „Sei Du der Erste, der den Beitrag teilt!“ hat er drunter geschrieben. Aber der Erste wollte ich jetzt nach einem halben Jahr dann auch nicht mehr sein.

Dann hab ich im Netz einen Aufnäher gefunden. “Kiffen gegen Nazis“. Ist im Angebot. Kostet 1 Euro. Weil, so richtig subversiv ist das Kiffen mit Özdemir ja nun nicht mehr. Aber Drucken könnte man durchaus irgendwas lassen. Und dann damit rumlaufen. Im Sinne der Aufklärung. Aber alles, was die Wissenschaft über Rechte rausgefunden hat, ist ja irgendwie schon gestalterisch umgesetzt. Auf Logos kann man alles Wissenswerte lesen. Dass Rechte „keine Hirne“ und besonders „kleine Pimmel“ haben, „heimlich Döner essen“ und „stinken“. Ob nun mehr grundsätzlich oder wegen dem Döner, weiß ich nicht. Ist aber auch unwesentlich. Wesentlich ist: Kleine Pimmel sind eine latente Bedrohung. Weil sie auf den ersten Blick wenig auffallen und schnell versteckt werden können. Da kommen jetzt wieder die Hebammen ins Spiel. Nur…rein sloganmäßig sehe ich jetzt erstmal kein besonderes Potential mehr für mich.

Schaumküsse mit Hitlerbärtchen

Basteln könnte ich was. Was Originelles. So wie die Jusos im Main-Kinzig-Kreis: Die haben als Kegelbrüder auf dem Hanauer Marktplatz lauter kleine Nazis mit ausgestrecktem Arm aufgestellt, und die konnte man dann umkegeln. Geil, oder? Dann hatten sie noch zuhause Schaumküsse gebacken und mit Frisur und Bärtchen vom Hitler verziert. Schokolade. In Braun. Zum „Wegputzen!“ Den Mut muss man im Kampf gegen den bereits überall lauernden Faschismus erst mal aufbringen. Das Bärtchen gab‘s dann nochmals auf Fotos. Als zurechtgestutzte Schambehaarung von Girlies. Ein Riesending. Also die Idee, meine ich. Auf sowas muss man erstmal kommen. Allerdings hat sich’s auf die Umfragen jetzt noch nicht so ausgewirkt.

In Immenhausen ging’s im Kampf gegen das Böse etwas konventioneller zu: Hier wurde „gegen Rechts“ nur gewandert. Das Wetter war aber Mist. Da hat man nach vier Kilometern aufgehört. Die “Hessische Niedersächsische Allgemeine” hat‘s trotzdem gebracht. Sonst wären die Reporter ja umsonst im SUV hinterhergefahren. Schade… das mit dem Wandern hätte mir gefallen. Hätte ich mir vorstellen können. Mit GoPro und Wanderlied. Im Stream. “Gegenrechtszwodrei, gegenrechtszwodrei…wo dein Platzgenosse ist…! Reih Dich ein in die wandernde Einheitsfront, weil Du auch ein Linker bist….“ Oder so. Genau hab ich den Text nicht mehr drauf. Aber das wäre nun wirklich was für mich gewesen. Aber so macht‘s jetzt keinen Sinn mehr. Wirklich schwierig! Habt Ihr nicht irgendwelche Vorschläge, wo ich mich noch so positionieren kann, dass, sagen wir mal, die “Süddeutsche” was über mich bringt? Ein Sachbuch? Hmmm…. Aber ob ich damit gegen Snorre Ytterstads „Schlafen gegen rechts!“ ankomme? 64 Seiten. Bestseller. Immerhin seit einiger Zeit vergriffen.

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