Braucht es noch Literaturübersetzer?

Am Beispiel von „The Daffodils“ von William Wordsworth

Es ist März, und endlich blühen sie wieder:

https://www.cntraveler.com/stories/2016-04-04/the-story-behind-this-daffodil-field-in-england-will-warm-your-heart

Zur Vorgeschichte:

Vor etwa vier Jahren veröffentlichte ich zum Frühlingsanfang eine Hommage auf den englischen Dichter William Wordsworth (1770-1850) und dokumentierte sein berühmtestes Gedicht „Daffodils“ einschließlich einer deutschen Übersetzung. Diese fand ich im „WorldWideWeb“, erstellt durch den berufsmäßigen „Literaturübersetzer“ Bertram Kottmann:
Knapp ein Jahr danach flatterte mir doch tatsächlich wegen „Verletzung des Urheberrechts“ eine Geldforderung dieses Kulturschaffenden ins Haus. Ich hatte zwar damals das Copyright mit seinem Namen angefügt, ihn aber nicht vorher um Zustimmung zur Verwendung seiner Übersetzung angefragt und angeblich die Quelle nicht korrekt benannt.
Ein Versäumnis vielleicht, natürlich in der Rückschau betrachtet auch eine Dummheit meinerseits, die der Nachdichter ausnutzte und die ich als möglicherweise „strafbewehrt“ ansehen musste. Nach unserem Schriftverkehr sollte ich K. vielleicht noch dankbar sein, dass er zur Eintreibung seiner Forderung keinen dieser halb- bis vollkriminellen (Abmahn-) Aasgeier eingesetzt hatte – er nannte das verbrämend „Fachanwalt“ – und damit mir größere Kosten und uns beiden ganz gewiss „Zoff“ ersparte.
Danke, danke dafür!
Denn ich habe, kreuzbrav und gebefreudig 😉, wie ich bin, seine Forderung – nicht einmal richtig zähneknirschend – beglichen:
Hoffte ich doch, es geht bestimmt an einen möglicherweise darbenden Kulturschaffenden. Und er kann den Beitrag im Gegenwert von etwa drei ausgesuchten Paketen edler Weine meines fränkischen Lieblingswinzers vielleicht verwenden, oder sich 80 Flaschen eines billigen „Trollinger“ von einem Discounter aus seinem Ländle reinpfeifen. Vielleicht musste er aber auch nur Mietrückstände begleichen, ausstehende Alimentenforderungen abzahlen, eine Kontoüberziehung remboursieren, oder was er auch immer – nahm ich an. Wenn ich „spende“ geht immer meine einfühlende Fantasie mit mir durch.

Eine weitere Neu-Übersetzung

Ich dachte mir denn seinerzeit, was ist der schöpferische „Mehrwert“ einer professionellen Literaturübersetzung, wie bei der anliegenden.

Hier zunächst das Gedicht im englischen Urtext (ich liebe es besonders auch im Original, denn es vermittelt, dass es im Englischen auch nach Shakespeare Sprachmusik gibt):

I wandered lonely as a cloud
That floats on high o’er vales and hills,
When all at once I saw a crowd,
A host, of golden daffodils;
Beside the lake, beneath the trees,
Fluttering and dancing in the breeze.

Continuous as the stars that shine
And twinkle on the milky way,
They stretched in never-ending line
Along the margin of a bay:
Ten thousand saw I at a glance,
Tossing their heads in sprightly dance.

The waves beside them danced; but they
Out-did the sparkling waves in glee:
A poet could not but be gay,
In such a jocund company:
I gazed–and gazed–but little thought
What wealth the show to me had brought:

For oft, when on my couch I lie
In vacant or in pensive mood,
They flash upon that inward eye
Which is the bliss of solitude;
And then my heart with pleasure fills,
And dances with the daffodils.

Nun mache sich der Leser die Mühe und klicke auf diesen Link: https://gedichte.xbib.de/Wordsworth_gedicht_Narzissen.htm, um eine mögliche literarische Großtat des erwähnten „Literatur-Übersetzers“, vielleicht in der Tradition eines Wieland, Schlegel oder Tieck, zu bewundern.
Oder vielleicht auch nur ein simulierendes „Schönquasselpapier“, wie mein Lieblings-Satiriker Ewald Seeliger so manches in der Literatur titulierte?

Ich habe etwas ganz Frevlerisches getan und das Gedicht von einer Übersetzungs-Software (https://www.deepl.com/translator) ins Deutsche übertragen lassen. In Konkurrenz zu der „professionellen“, kulturschaffenden Machweise.

Hier das Ergebnis nach lediglich zwei, drei Wortumstellungen in einzelnen Sätzen:

Ich wanderte einsam wie eine Wolke
Die hoch über Tälern und Hügeln schwebt,
Als ich auf einmal eine Schar,
Ein Heer, von goldenen Narzissen sah;
Neben dem See, unter den Bäumen,
Flatterten und tanzten sie im Wind.

Ununterbrochen wie die Sterne, die leuchten
und funkeln auf der Milchstraße,
dehnten sie sich in unendlicher Reihe
Am Rande der Bucht:
Zehntausend sah ich auf einen Blick,
Wie sie ihre Köpfe in munterem Tanz wiegen.

Die Wellen neben ihnen tanzten,
doch sie übertrafen die glitzernden Wellen an Fröhlichkeit:
Ein Dichter konnte nicht anders als fröhlich sein,
In solch fröhlicher Gesellschaft:
Ich starrte und starrte, aber dachte nicht daran
Welchen Reichtum mir die Schau brachte.

Denn oft, wenn ich auf meiner Couch liege
In leerer oder nachdenklicher Stimmung,
blitzen sie auf in dem inneren Auge.
Das ist die Seligkeit der Einsamkeit;
Und dann füllt sich mein Herz mit Freude,
Und tanzt mit den Narzissen.

© by deepl & altmod

Ich Trottel, warum habe ich das damals nicht gleich gemacht: Nicht mehr als zwei Minuten Zeitaufwand und das Einarbeiten von zwei, drei Anpassungen in deutschem Syntax.
Zugegeben, es reimt sich nicht, wie in dem Produkt des Dichters Kottmann.
Aber man begreift!
Und verzichtet der Lyriker der Moderne nicht gern auch auf Reime?

Die obige Übersetzung der „Daffodils“ – erscheint also durchaus exklusiv auf und von altmod. Eine von „deepl“, weniger von mir erbrachte „geistige Schöpfung“!

Quintessenz

Braucht es überhaupt und noch „studierte“ bzw. „schöpferische“ Literaturübersetzer – für elegische oder gar kreative „Nachdichtungen“?
Lohnt es noch, dafür in die Tasche greifen zu müssen, oder ist das nur noch eine „mäzenatische“ Unterstützung von Mitgliedern eines zunehmenden Kulturproletariats?
Und dann die Frage: Wie kann man inzwischen „Schönquasselpapiere“ von berufsmäßigen Übersetzern und „Nachdichtern“ noch von wirklicher Kunst unterscheiden?
Vielleicht hilft dort auch inzwischen „KI“, bei der doch gemeinhin entschwindenden natürlichen Intelligenz und Bildung bei den kulturellen „Eliten“.

Ich weiß, es gibt noch viele qualifizierte Übersetzer und Übersetzerinnen – und wird es weiter geben müssen! – mit und ohne literarischen Anspruch und Intentionen, die gewissenhaft ihrer Profession nachgehen. Denen gilt mein Respekt. Und ich will weiterhin Hochliteratur aus anderen Sprachen in Qualität ins Deutsche übertragen lesen können. Nicht aber von Krämerseelen, die sich damit beschäftigen, nach möglichen Urheber-Verstößen zu gieren und nachzuforschen.

Nachtrag:

Auf meinen früheren Beitrag hatte eine Kollegin des Trans-Lyrikers Bertram Kottmann mit einem Kommentar reagiert, der nicht sehr schmeichelhaft für diesen ausfiel. Mit dreijähriger Verzögerung reagierte nun erst dieser Tage ein Kottmann-Bewunderer oder -Freund auf deren vermeintlichen Invektiven und heischte in einem Brief nach einer Richtigstellung bzw. Ehrenrettung seines offeensichtlichen Herzensbruders. Überflüssig, da der damalige Artikel samt Kommentaren nach Abschaltung meines ursprünglichen Blogs nicht mehr abrufbar ist!
Nachdem sich jüngst eine weitere Berufskollegin aus dem Dolmetscher-Metier von K. bei mir meldete und von ähnlichen Gebaren des K. wie bei mir berichtete, hielt ich es für durchaus angebracht, die ganze Kottmann-Daffodil-Abmahnungs-Chose noch einmal aufzuwärmen.
Meine „Follower“ mögen mir das nachsehen, und es unter die Rubrik „Des lieben Gott(fried)s Bestiarium“ ablegen.
Meine Reverenz gilt vor allem – aus ganzem Herzen – den beiden erwähnten Damen in dieser Angelegenheit – quasi in Sinne von „me too“!

Print Friendly, PDF & Email
Dieser Beitrag wurde unter Bosheiten, Charakterlosigkeit, Jahreszeiten, Kunst und Kultur, Literatur, Satire inhärent abgelegt und mit , , , , , , , , , verschlagwortet. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

2 Antworten zu Braucht es noch Literaturübersetzer?

  1. Gerhard Bauer sagt:

    „Me too“, mit Margret Boveri hat es mich erwischt. Ging allerdings ohne Bezahlung aus.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert