„bunt statt braun“


Etwas zur Geschichte des Begriffs „Bunt statt braun“.

In den Englischbüchern der Nachkriegszeit, mit denen wir uns in den 50er und 60er Jahren beschäftigten, wurde uns der Begriff des „Melting Pot“ am Beispiel der USA oder New York als ein mustergültiger Wesenszug dieses Landes verkauft. Die differenzierenden Begriffe der „Salad Bowl“ oder „American Pizza“ tauchten da (noch) nicht geläufig. Schon in den „sprachpädagogischen“ Texten ging es nicht nur darum, dass aus Briten, Franzosen, Spaniern, Deutschen, Japanern, Chinesen, Afrikanern und vielen anderen Völkern „Amerikaner“, wie sich die US-Bürger oft selbst bezeichnen, entstanden. Es wurde dem umzuerziehenden, da genetisch rassistisch veranlagten deutschen Jugendlichen, die Ideologie des friedlichen Zusammenlebens und die Verschmelzung von Weiß, Gelb, Braun, Rot und Schwarz als Anzustrebendes nahegelegt. Wer sich über die Schulbücher hinaus zu informieren wusste, konnte aber bald feststellen, dass es mit dem „Melting Pot“ nicht so weit her war, sondern dass es sich eher um mehrere Töpfe mit brodelndem und leicht überkochendem Inhalt auf dem Herd der USA handelte.
Amerika war seit je ein Einwanderungsland, für Deutschland musste diese Option nach Maßgabe der amerikanischen Schmelztiegler erst entwickelt werden. Insbesondere auch, um aus den Deutschen die Überzeugung eines „Volks ohne Raum“ zu exorzieren.
Da der Deutsche angeblich die Einheitsfarbe braun so liebt, wurde als Antitoxin der Begriff der „Bunten Republik“ kreiert.
Wer hat den Begriff erfunden?

Schneidet man Googlehupf auf, findet man als erste Quelle Udo Lindenberg mit seinem hingerotzten „Lied“ und Text von der Bunten Republik Deutschland aus dem Jahr 1989:

„Egal ob Du ‚n Italdieser bist,
oder ‚n Italjener.
Egal, ob Du ‚n fescher Deutscher bist,
oder ‚n Türke, ‚n schöner,

Bunte Republik Deutschland…“

Danach war eine zeitlang Ruhe um eine bunte Republik Deutschland, denn man konnte sich in der ersten rot-grünen Ära auf den Schwafelbegriff „Multikulti“ konzentrieren. Ebenso eine alberne Benennung, welche nur von beschränkten Gestalten um Claudia Roth und Frau Bischöfin Käßmann ausgehalten werden konnte. Das Wort fühlte sich schon im Mund nicht gut an, denn es musste erst immer heftig eingespeichelt um dann ausgespuckt zu werden. Und bald waren sich sogar rote und grüne Soziologen und Politiologen (gibt es eigentlich andere?) einig: „Multikulti ist gescheitert!“ – warum auch immer.
Also musste eine neue bildhafte Redewendung, eine neue Umerziehungsphrase her.
Das Zwischenspiel von 1993, als der DFB – eine der Ober-Kultur- und Anstandswächter-Organisationen der Republik – die Aktion „Mein Freund ist Ausländer“ kreierte, war ebenfalls nur von kurzer Dauer. War wohl den seinerzeit noch vorhandenen Durchschnitts- und Stammtisch-Deutschen nicht eingängig, – obwohl oder gerade, weil man nur Fußballfan war und ist.
Da erwiesenermaßen mit dem zunehmenden zeitlichen Abstand zum Ableben von Adolf Hitler die „braune Gefahr“ in Deutschland exponential zunimmt, war es Zeit, eine neue Verbildlichung zu schaffen.

Der Durchbruch!

Nachdem Rostock in die Gefahr geraten war, zu einem braunen Topos zu werden, taten sich dort einige Mutige und Aufrechte zusammen und gründeten 1998 das sog. überparteiliche Aktionsbündnis „Bunt statt braun“, denn es galt, gegen Rechtsradikalismus Flagge zu zeigen. Endlich!
Ich zitiere aus einer Begründung seinerzeit:

„Der Begriff „bunt“ assoziiert im Generellen etwas Positives, Farbenfrohes und Wünschenswertes. Der Begriff vereint positive Aspekte und negiert automatisch Uniformität, Gleichschaltung, Tristesse, Tod und Terror – alles negative Aspekte, die mit den Begriffen „bunt“ und „Multikulti“ nichts gemein haben.“

So kann man verstehen, dass „bunt statt…“ sich in der Alltagsredekunst der Polit- und Gutmenschkaste festgeklebt hat.
Der von unseren Volksschindern gewählte Obergutmensch der Republik, der ungesalbte Gesetzesunterkritzler von 2010, Christian Wulff, wünschte sich demnach in seiner Antrittsrede auch die „bunte Republik Deutschland“ sehnlichst herbei.
Ihm folgte dann landauf – landab die Kaste der Wichtigen und Bewegten, der unermüdlichen Volkspädagogen geistlicher und säkularer Provenienz, um die bunten Fahnen aufzuziehen. Jeder Dorfbürgermeister und seine eskortierenden Kirchenknechte propagierten jetzt ihre Gemeinden als bunt, tolerant, weltoffen: beim „Volkstrauertag“, zum Advent und vor dem Glühwein beim Weihnachtsmarkt, bei wärmenden Lichterketten in finst´rer Winternacht, gar zum Ramadan – und was sich sonst dazu anbietet. Bei letzterem Anlass verzichtet man aber wohlweislich darauf, dazu auch die Lesben- und Schwulenfahne aufzuziehen, das nahezu amtlich gewordene Symbol der Buntheit in der bunten Republik.


Optische Halluzinationen können durchaus Symptom einer tiefgreifenderen Nervenstörung sein, lernt man als Mediziner schon im Studium. Zur Zeit erleben wir wieder eine Hochblüte der bunten Phraseologie und Massenpsychose.
Die Wahlerfolge und Umfrageergebnisse der AfD, der Protest dieser „Blut-und-Boden“-Zunft, genannt Bauern, gegen die bunte Ampel, riefen „spontan“ die Braven und Aufrechten zum couragierten, hunderttausendfachen Protest auf die Straßen, bis hin in den letzten Krähwinkel der Republik.

Kurz noch etwas zur Farbenlehre.
Die Bunt-Angerührten sollten wissen, dass mit dem Zusammenmischen von bestimmten Farben „Braun“ herauskommt: „Rot und Grün sind Komplementärfarben … dieses Paar zusammenzumischen erzeugt Braunschattierungen.“
Dass eine Beimengung von Schwarz den Farbton noch bestärkt, ist jedem bekannt.

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